11 October, 2009

Ursachensuche

Die Wahlen sind vorbei. Das Ergebnis ist noch schlimmer als befürchtet - und als die letzten Umfragen vorhergesagt haben. Bei 26% wurde die SPD in Umfragen kurz vor der Wahl gesehen. Optimisten hatten sogar gehofft, dass die SPD ihr schlechtestes Ergebnis seit Kriegsende (1953: 28,8%) noch vermeiden könnte. Nichts war es. Ganze 23% standen am Ende zu Buche.

Woran lag es nun? Die Welt erlebt gerade die schwerste Wirtschaftskrise seit der Großen Depression. Davor gab es über mehrere Jahre einen weltweiten Aufschwung. Und jeder wollte einen möglichst großen Anteil vom Kuchen abhaben. Deregulierung war angesagt, Rekordboni wurden gezahlt. Die einzige Bevölkerungsgruppe, die davon überdurchschnittlich profitiert hat, sind die reichsten 10%. Deren Anteil am Gesamtvermögen betrug 2007 61,1% nach 57,9% im Jahr 2002. Alle anderen Bevölkerungsgruppen haben in diesen 5 Jahren anteilig Vermögen verloren oder maximal ihren Anteil gehalten (DIW Wochenbericht 4/2009, S. 6).

Die Auswirkungen der Krise sind gravierend. Die unmittelbare Folge sind massive Staatsdefizite durch die Rettungspakete, hohe Arbeitslosenzahlen konnten zunächst durch die Kurzarbeitregelungen vermieden werden, bescheren dem Staatshaushalt aber weitere Milliardenausfälle. Nun werden Steuersenkungen versprochen, von denen wiederum die Besserverdienenden überproportional profitieren. Und angesichts von Rekorddefiziten geht dies auch nur bei Rückbau des Sozialstaates - auf Kosten der Geringverdiener. Und doch sorgen die Deutschen für ein Rekordergebnis der Wirtschaftsliberalen bei den Wahlen. Absurd?

Ein Rückblick: 1998, nach 16 Jahren Helmut Kohl und Schwarz-Gelb, von denen vor allem die letzte Legislaturperiode treffend mit Reformstau zusammengefasst werden kann, kam es endlich zum Wechsel der Regierung hin zu Rot-Grün. Neben den wirtschaftspolitischen Reformen gab es auch sozialpolitische Reformen, deren Nachwirkungen nun für die SPD noch viel gravierender sind. Die Reizwörter sind Agenda 2010 und Hartz IV; von Verrat an der eigenen Wählerschaft ist die Rede. Und natürlich muss man es nicht unbedingt als Auszeichnung ansehen, wenn eine Partei, die "sozial" im Namen hat, vom liberalsten Wirtschaftsmagazin The Economist gelobt wird. Fakt ist aber, dass Deutschland unter Gerhard Schröder vom Sorgenkind wieder zum Musterschüler Europas wurde.

Härten und Ungerechtigkeiten lassen sich zahlreiche finden und über Korrekturen sollte sicher nachgedacht werden. Das Hauptproblem der SPD sind aber nicht die Gesetze selbst, sondern dass es versäumt wurde, diese und deren Notwendigkeit den Leuten zu erklären - und das über die ganzen Jahre. Die Basta-Attitüde von Gerhard Schröder war auch alles andere als hilfreich.

Mit dem Deutschlandplan hat die SPD den großen Befreiungsschlag versucht - und ist mangels eigener Hartnäckigkeit grandios gescheitert. Nach ersten abfälligen Kommentaren aus den anderen politischen Lagern gab es viel Zustimmung. Um es auf den Punkt zu bringen: Die SPD war die einzige Partei mit einer Vision für ein zukunftsfähiges Deutschland! Und doch verschwand der Plan viel zu schnell in der Schublade und hat am Ende faktisch keine Rolle mehr im Wahlkampf gespielt. Ist man an der eigenen Courage gescheitert? Waren die Parallelitäten zu groß zur Agenda 2010?

Die FDP sollte sich nicht allzu viel auf ihr Ergebnis einbilden. Diese Wahl war keine Wahl liberaler Politik, sondern in erster Linie eine Abwahl der großen Koalition, wie auch das Rekordergebnis der Linken zeigt. Und doch stellt die SPD einen Sonderfall dar; man verliert nicht einmal so eben ein Drittel seiner Wähler. Aber nicht wegen schlechter Politik, sondern wegen schlechter Kommunikation und unklarer Strategie ist die SPD gescheitert. Eigentlich kann es nur als positiv angesehen werden, dass die SPD jetzt nicht an der Regierung beteiligt ist. Eine weitere große Koalition hätte ihr angesichts der sich abzeichnenden Probleme im Staatshaushalt vermutlich vollends das Genick gebrochen. Die FDP wird auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werden, weil versprochene Wohltaten nicht finanzierbar sind. Und für 2013 hoffe ich auf eine neue SPD-geführte Regierung.

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